Reisseronia ionica, Weidlich, 2016

Weidlich, Michael, 2016, Zur Schmetterlingsfauna der Ionischen Inseln Griechenlands mit der Beschreibung neuer Psychiden-Taxa sowie ein Beitrag zu ihrer Köcherfliegenfauna (Lepidoptera, Trichoptera), Beiträge Zur Entomologie = Contributions to Entomology 66 (2), pp. 265-320 : 274-276

publication ID

https://doi.org/ 10.21248/contrib.entomol.66.2.265-320

persistent identifier

https://treatment.plazi.org/id/03BC87C1-5E3D-FFF0-4FDE-BA3FF2F2F857

treatment provided by

Felipe

scientific name

Reisseronia ionica
status

sp. nov.

Reisseronia ionica View in CoL spec. nov.

Die Entdeckung der neuen Art: Bereits im Jahr 1993, beim ersten Besuch von Ithaka mit der Familie, fielen uns einige Säcke auf, die an Proutia betulina (ZELLER, 1839) und Psyche crassiorella (BRUAND, 1850) erinnerten. Diese befanden sich angesponnen an Hauswänden und wurden als Belege eingesammelt. Daraus schlüpften aber keine Imagines mehr, denn es war bereits Mitte Juli gewesen. Erst 7 Jahre später und in den Folgejahren darauf wurde umfangreiches Material eingetragen und Imagines gezüchtet.

Die Nominatform wurde beim nächsten Besuch der Inselgruppe im Jahre 2001 auf Kefalonia entdeckt. Am 02.05.2001 wurden einige wenige Säcke bei Patrikata und Agon, ebenfalls an Felsen angesponnen, gefunden. Ein Jahr später befanden sich am 08.05.2002 auf Lekada an den Felswänden bei Vliko eine grosse Zahl an Reisseronia -Säcken, unter denen vier geschlüpfte ♂♂ -Säcke mit Puppenhüllen waren.

Derivatio nominis: Die neue Art wird nach der Inselgruppe, den Ionischen Inseln benannt, auf der sie offenbar endemisch vorkommt.

Holotypus: ♂, Europa meridionalis, Greece-West / Kefalonia , Ionische Inseln, Skoloupas , Myrto Bay , 300 m NN, e.l. 21.05.2005, leg. Dr. M. WEIDLICH (Flügelspanne 12,0 mm) ( Fig. 5 a View Fig ). Er befindet sich in coll. Museum für Naturkunde des Leibniz Institutes in Berlin .

Paratypen (die gezüchteten Exemplare jeweils mit Sack und Puppenhülle): Männchen: 4 ♂♂, 14.05. und 28 ♂♂, 16.05.2002 (Anflug); 28 ♂♂, e.p., 15.05.– 12.06.2002;

12 ♂♂, e.l./e.p. 06.05.– 02.06.2003; 81 ♂♂, e.l. 30.04.– Anf. 06.2005: Europa meridionalis, Greece-West / Kefalonia , Ionische Inseln, Skoloupas, Myrto Bay, 300 m NN ; 4 ♂♂, e.l./e.p. 06.– 30.05.2015: Europa meridionalis, Greece- West / Kefalonia, Ionische Inseln, Umg. Livadi 2 km N, 150 m NN ;

4 ♂♂, e.p. 14.05.2015, Assos, ca. 1 km E, 200 m NN, alles leg. Dr. M. WEIDLICH.

Weibchen: 11 ♀♀: e.l und e.p. 16.05 bis Anf.07.2002; 17 ♀♀: e.l und e.p. 08.05 bis Ende 06.2005: Europa meridionalis, Greece-West / Kefalonia , Ionische Inseln, Skoloupas, Myrto Bay, 300 m NN ; 5 ♀♀: e.l./e.p., 20.05.– 01.06.2015 Europa meridionalis, Greece-West / Kefalonia, Ionische Inseln, Umg. Livadi 2 km N, 150 m NN, alles leg. Dr. M. WEIDLICH .

Säcke: 3 Säcke, 02.05.2001: Europa meridionalis, Greece- West/Kefalonia, Ionische Inseln, 1 km NW Patrikata, 400 m NN; 2 Säcke, 02.05.2001, 6 Säcke, 06.04.2005: Europa meridionalis, Greece-West/Kefalonia, Ionische Inseln, 1 km NNE Agon, 200 m NN; 16 Säcke, 13.05.2002, 11 Säcke, 04.05.2015, Assos, ca. 1 km E, 150–200 m NN; 227 Säcke 14. bis 16.05.2002; 68 Säcke 01.05.2003, 165 Säcke, 06.04.2005: Europa meridionalis, Greece-West/Kefalonia, Ionische Inseln, Skoloupas, Myrto Bay, 300 m NN; 1 Sack, 06.04.2005, Argostoli, 10 m NN; 21 Säcke 04.05.2015, Europa meridionalis, Greece-West/Kefalonia, Ionische Inseln, Umg. Livadi 2 km N, 150 m NN; 10 Säcke, 04.05.2015, Umg. Defaranata S, 350 m NN, alles leg. Dr. M. WEIDLICH.

Das Typenmaterial umfasst somit 162 ♂♂ und 33 ♀♀, die gezüchteten Ex. jeweils mit Sack und Puppenhülle sowie 530 Säcke. Es befindet sich in den Sammlungen W. R. ARNSCHEID (Bochum / Deutschland) , Naturkundemuseum der Leibniz Gesellschaft (Berlin / Deutschland) , Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ( Müncheberg / Deutschland) , Tiroler Landesmuseen-Betriebsgesellschaft m.b.H. ( Innsbruck / Österreich) und Z. TOKÁR ( Michalovce / Slowakei) .

Diagnose: Männchen: Mittelgrosse Falter mit einer Flügelspanne von 10,6 bis 13,3 mm, Färbung einfarbig schwarzbraun. Augen schwarz, rund und der Augenindex beträgt 1,0 bis 1,1. Nebenaugen (Ocellen) nicht vorhanden. Kopfbehaarung schwarzbraun, Labialpalpen kurz und rudimentär. Die Fühlerlänge relativ kurz, sie erreicht die Hälfte der Länge des Vorderflügelcostalrandes. Fühlergliederzahl 21–23, Fühlerglieder dicht beschuppt, Kammzähne mit Wimpern versehen, deren Länge etwa der Kammzahnbreite entspricht. Die Kammzähne erreichen fast das Vierfache der Länge der Fühlerglieder (mittlerer Fühlerbereich).

Vorderflügel breit, Färbung einfarbig schwarzbraun, Diskoidalfleck nicht erkennbar. Deckschuppen schmal: ein- bis dreizackig, die dreizackigen Schuppen selten (Klasse I–II nach SAUTER, 1956). Vorderflügel mit EingeschobenerZelle,ohneAnhangszelle,8 Diskoidalzelladern, die alle, getrennt voneinander der Diskoidalzelle entspringen. Fransen einfarbig schwarzbraun, leicht kupfrig schimmernd, lancettförmig aber breit, entspricht der Klasse 2 c nach HAUSER (2012: 200).

Hinterflügelfärbung wie die der Vorderflügel, 5 Diskoidalzelladern, die alle getrennt voneinander entspringen. Hinterflügel mit haar- und lancettförmigen, zweizackigen und selten dreizackigen Schuppen bedeckt. Fransenschuppen lancettförmig, aber schmaler als die der Vorderflügelfransen. Körper schwarzbraun behaart. Vordertibie ohne Epiphyse, Mitteltibie und Hintertibie mit jeweils einem Spornpaar, alle Beine mit 5 Tarsengliedern.

Genitalarmatur Reisseronia -typisch und von rundlicher Gestalt.

Valven überragen das Tegumendach, welches zweifach leicht eingekerbt ist. Clavus deutlich ausgebildet mit Cornuti. Vinculum breit und rundlich gestaltet ohne Saccus. Anelli poyramidenförmig, Phallus gerade, kräftig ohne Cornuti ( Fig. 8 a, d View Fig ).

Weibchen: Flügellos, weiss bis hellbräunlich, auch rötlichbraun, Körperlänge 6–7,2 mm in gestreckter, natürlicher Haltung (ohne Ovipositor), -durchmesser etwa 2 mm. Augen klein schwarz und rund, keine Ocellen, Fühler rudimentär, 2 bis 3 gliedrig, Tarsen dreigliedrig. Schüttere Körperbehaarung, Afterwollhaare silbrig und kranzförmig am 7. Segment vorhanden.

Sack: Säcke in den Abmassen sehr unterschiedlich, ein Geschlechtsdimorphismus ist bei ihnen in den letzten Raupenstadien zu erkennen: Männchen: Länge 9–11 mm, Breite: 2,5–3,5 mm ( Fig. 9 b View Fig ); Weibchen: Länge 12–16 mm, Breite 3–4,5 mm ( Fig. 9 f View Fig ) (jeweils adulte Säcke von geschlüpften Imagines ohne überstehendes Baumaterial gemessen). Der Sack ist sehr unregelmässig aufgebaut und erinnert an den von Psyche - und Proutia -Arten. Er besteht hauptsächlich aus Grashalmen, Blattresten und untergeordnet aus Blüten- und Samenteilchen. Die Färbung reicht von mittelgrau bis bräunlich.

Differentialdiagnose: Bisher wurden 14 Reisseronia- Arten beschrieben. Darauf entfallen auf Reisseronia SIEDER, 1956 sensu stricto zehn und auf den Subgenus Tsikalasia HAUSER, 1996 vier Arten. Reisseronia s. str. zeichnen sich durch das Fehlen einer Epiphyse an den Tibien der ♂♂, die bei den Arten von Tsikalasia vorhanden ist.

Bei R. ionica spec. nov. sind keine derartigen Epiphysen ausgebildet und die Taxa R. gertrudae SIEDER, 1962 sowie R. imielinella MALKIEWICZ, SOBCZYK & LARYSZ, 2013 sind parthenogenetisch. Im Vergleich müssen somit R. tarnierella (BRUAND, 1850) , R. hofmanni (HEYLAERTS, 1879) , R. nigrociliella (REBEL, 1934) , R. staudingeri (HEYLAERTS, 1879) , R. pusilella (REBEL, 1940) . R. magna HÄTTENSCHWILER, 1982 , R. arnscheidi WEIDLICH, 2006 und die bisher nur vom asiatischen Teil der Türkei (Brussa) bekannt gewordenen R. flavociliella (MANN, 1864) diskutiert werden. Diese Arten, von denen die Säcke bekannt geworden sind, verfügen über eine einheitliche Form, bei der das eingebaute Material hauptsächlich aus Grasteilen besteht, die längs und enganliegend angeordnet sind.

Im habituellen Vergleich werden deutliche Unterschiede in der Färbung zu R. staudingeri , welche silbergraue Vorderflügel aufweist, deutlich. Weitere Unterschiede zwischen R. tarnierella , R. flavociliella , R. hofmanni , R. nigrociliella , R. pusilela , R. magna ( Fig. 4 c View Fig ) und R. arnscheidi arbeiten HÄTTENSCHWILER (1982) und WEIDLICH (2006) heraus. Sie bestehen hauptsächlich in der Grösse der Falter, der Anzahl der Antennenglieder bei ♂♂ und ♀♀ und der Ausbildung der weiblichen Tarsenglieder. R. ionica spec. nov. unterscheidet sich von R. tarnierella - ♂♂ wesentlich in der Flügelspanne (6–7 mm), in der Anzahl der Antennenglieder (16–18) sowie der Anzahl der ♀♀ Tarsenglieder (0, nur Krallen). R. nigrociella- ♂♂ verfügen über kürzere Fühler mit nur 15–17 Gliedern und die ♀♀ über 4–5 Tarsalglieder.

Im Unterschied zu R. pusilella fallen wiederum die hier kurzen Fühler auf mit nur 15–17 Gliedern und die nicht so stark reduzierten Antennenglieder (5–6) bei den ♀♀. Im Vergleich zu R. magna existieren die deutlichsten Unterschiede bei den Weibchen, die hier grösser sind (10 mm) und über gut ausgebildete Beine mit 5 Tarsengliedern verfügen. Am ehestens ähneln die R. ionica spec. nov. -Merkmale denen von R. arnscheidi , von der sie aber durch die rundliche Vorderflügelform leicht differenziert werden kann.

Dazu ergänzt werden kann, dass sich alle Reisseronia - Falter über eine ausgeprägt rundliche Vorderflügelform definieren, bis auf die griechischen R. magna und R. malickyi , die über eine ähnliche Flügelform mit einem relativ spitzen Apex der Vorderflügel verfügen.

Auch in der bisher bekannten zoogeographischen Verbreitung differieren die diskutierten Arten deutlich. In Griechenland kommen nur R. nigrociliella , R. pusiellla (Festland) und R. magna (Peloponnes) und die R. Tsikalasia malickyi (endemisch auf Kreta) vor. 3 Arten unterscheiden sich aber auch durch ihre späte Flugzeit im Jahr von R. ionica spec. nov., die bei R. nigrociliella und erst im Juni und bei den anderen drei Arten erst im späten Juli beginnt. Lediglich bei R. pusilella beginnt die Flugzeit Ende April (vergl. WEIDLICH, 2008: 477).

Einer der gravierendsten Unterschiede lässt sich bei den Säcken feststellen. Wie bereits oben erwähnt, fallen die bisher bekannten Reisseronia -Säcke durch eine sehr einheitliche und vergleichbare Form auf. Die von R. ionica spec. nov. sind völlig anders strukturiert und ähneln sehr den Säcken von Proutia betulina (♂♂) und teilweise auch denen von P. crassiorella und P. casta (PALLAS, 1767) (♂♂ und ♀♀) (vergl. Taf. 9).

Für die molekular genetischen Untersuchungen lagen Imagines mit folgenden Daten vor:

1 ♂, Greece, Kefalonia , Myrto Bay, e.l. 02.05.2005 (BC TMLF Lep 11169) ( R. ionica nov. spec) ,

1 ♂, Romania, Mţ. Câpâţenei , Chiaculata, e.l. 29.05.2011 (BC POESE 057 ) ( R. arnscheidi ) ,

1 ♀, Bulgaria, Umg. Sandanski, Liljanovo , e.l. 29.07.2015 ((BC POESE 059 ) ( R. nigrociliella ).

Im Ergebnis zeigt sich, dass die genetischen Differenzen beträchtlich sind. R. ionica spec. nov. unterscheidet sich um 6,55 % von R. nigrociliella und um 7,59 % von R. arnscheidi .

Biologie und Ökologie: An den Hängen des Skoloupas oberhalb der Myrto Bay ( Fig. 13 View Fig ) flogen am 14.05.2002 auf ein frisch geschlüpftes ♀ von Vliko (Lefkada) zwischen 09:25 und 10:10 Uhr ( OESZ) insgesamt 6 ♂♂ an. Einen Tag später waren auch die geschlüpften ♂♂ - Säcke i.M. dort zu finden. Am 16.05. war der Autor abermals vor Ort. Gleich bei der Ankunft um 09:05 Uhr begann wieder der Anflug auf zwei ♀♀ von Vliko. Insgesamt flogen bis 09:40 Uhr 29 ♂♂ an und eine Kopula wurde zugelassen. Die Weibchen stellten das Locken zu diesem Zeitpunkt ein. Wenig später fand sich ein im Schatten einer Felswand ein fliegendes ♂ um 10:08 Uhr (alles OESZ). Aus den Säcken der wohl befruchteten Weibchen konnte später kein Schlupf der F1 (Räupchen) festgestellt werden. Die Beobachtungen erfolgten bei strahlendem Sonnenschein und Temperaturen um 15 Grad Celsius .

Bei der Zucht frassen die Raupen verschiedene Pflanzen, wie Hieracium spec. und Plantago spec. zumeist im angewelkten Zustand. Der Schlupf der ♂♂ ist zwischen dem 06.05. und 12.06. beobachtet worden, der der ♀♀ vom 08.05. bis sogar Anfang Juli. Beide Geschlechter schlüpften in den ersten Morgenstunden. Die Phänologie von R. ionica spec. nov. ist jahrweise relativ konstant, zieht sich aber über einen längeren Zeitraum hin. Die Eiablage erfolgt in den Sack und die Art ist univoltin.

Vergesellschaftet ist R. ionica spec. nov. quasi mit allen auf der Insel nachgewiesenen Psychidenarten, ausser mit B. cephalonica spec. nov. (vergl. Tab. 1).

Die Habitate bilden zumeist Felsabbrüche und -fluren, aber auch an Trockenmauern (Dolomit und Kalkstein), die xerothermen Charakter und Maccia-Vegetation aufweisen und häufig nach SE ausgerichtet sind. Zumeist liegen diese Standorte ab dem Nachmittag im Schatten.

R

Departamento de Geologia, Universidad de Chile

Kingdom

Animalia

Phylum

Arthropoda

Class

Insecta

Order

Lepidoptera

Family

Psychidae

Genus

Reisseronia

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