Ophrys, F & F, 2023
publication ID |
https://doi.org/ 10.5281/zenodo.10787730 |
persistent identifier |
https://treatment.plazi.org/id/830B87CD-4640-FFD8-FF78-788CFC04FD24 |
treatment provided by |
Felipe |
scientific name |
Ophrys |
status |
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Ophrys View in CoL -Forschungen
Ab 1976 beschäftigte mich neben allgemeinen Fragen der Bestäubungsbiologie besonders die Klärung der Pseudokopulation bei der mediterranen Orchideengattung Ophrys . Auslöser war ein Gespräch mit dem bekannten Pflanzenphysiologen Prof. Dr. Hans Mohr in Freiburg mit dessen Aussage, dass die ganze Geschichte mit Weibchenimitation durch Blüten „unsinnig“ oder schlichtweg „überinterpretiert“ sei. So organisierte ich im nächsten Frühjahr eine Exkursion nach Andalusien, um die Bestäubungsbiologie direkt vor Ort zu überprüfen. Auf dieser ersten Reise nach Südspanien Anfang März 1976 begleiteten mich Prof. Dr. Günther Osche, die späteren Professoren Peter Sauer (Bonn) ( Abb. 22 View Abb ) und Walter Sudhaus (Berlin) ( Abb. 22 View Abb ) sowie Claudia Gack ( Abb. 22 View Abb ). Letztere wurde später für mich eine wichtige Mitarbeiterin bei den von Freiburg aus gestarteten Ophrys- Forschungen. Bereits auf dieser ersten Reise konnten wir die Poyanne-Kullenberg’schen Thesen bestätigen, dass die Ophrys -Blüte paarungswillige Wildbienenweibchen imitieren und angelockte Männchen auf ihnen Paarungsversuche machen. Auf weiteren Exkursionen nach Andalusien nahm ich u. a. auch Klaus Lunau 173 mit, der, von Prof. Osche iniitiert, von Claudia Gack in ihrer Doktorbeit ausgearbeitet, später eine Doktorarbeit über die Staubblattimitatíonen und ihre sensorische Reizwirksamkeit in der Bestäubungsbiologie gemacht hat. Er ist später Professor für Tierphysiologie (Sinnesökologie) an der Universität Düsseldorf geworden. Auch Florian Schiestl (heute als Professor für Botanik an der Universität Zürich tätig) war mir bereits auf Exkursionen in die Alpen Österreichs und dann vor allem während unserer ersten Ophrys -Tour nach Nordtunesien aufgefallen.
Den Schluss, dass durch eine Imitation der Sexuallockstoffe dieser Wildbienen eine artspezifische Beziehung bestehen sollte, hatte Bertil Kullenberg allerdings nicht gezogen. Erste Wahltest-Experimente in Andalusien bestätigte jedoch diese Annahme. Überraschend und für mich erstaunlich war, dass bei Marbella und Umgebung zwei verschiedene Blütengrössen einer als Ophrys fusca bezeichneten einzigen Art verbreitet waren. Da diese ausserdem von zwei verschiedenen Bienen besucht wurden, nämlich die kleine von Andrena flavipes , die grössere von Colletes cunicularius 174, war es für mich sofort klar, dass es sich um zwei getrennte biologische Arten handeln musste. Ihr jeweiliger Isolationsmechanismus bestand gerade in den beiden getrennten Bienenarten, die den Pollen nur innerhalb „ihrer“ Ophrys -Art transferieren. Diese Bestäuber fungieren als prägamer Isolationsmechanismus. Ich konnte nicht ahnen, dass dieses für einen Evolutionsbiologen völlig naheliegende Konzept, später die ganze Ophrys- Systematik revolutionieren sollte. So war es für mich selbstverständlich, dass die von dem Freiburger Dr. Reinhart Gumprecht beim Isteiner Klotz entdeckte und beschriebene Ophrys holoserica subsp. elatior eine eigenständige Biospezies sein muss. Immerhin blühten die Pflanzen erst ab Mitte Juli, also lange nach dem Verblühen der „normalen“ Hummelragwurz auf, hatten deutlich kleinere Blüten und waren erstaunlich hochwüchsig. Ich bemühte mich daher sehr, den spezifischen Bestäuber zu finden. Dies gelang auch sehr bald. Es handelte sich um die kleine Tetraloniella salicariae -Langhornbiene. Da der von Gumprecht vergebene Name leider ungültig beschrieben worden war, habe ich ihn später als Ophrys elatior GUMPRECHT ex PAULUS 1996 validisiert. Besonders erfreut war Reinhart Gumprecht, als ich ihm eine Pseudokopulation von T. salicariae auf „seiner“ Ophrys vorführen konnte (Abb. 66a, b).
Mein erstes Ziel für Ophrys -Untersuchungen war, wie bereits geschildert, Andalusien. 1982 beschloss ich als nächstes neues Ziel die Insel Kreta aufzusuchen. Hier begleiteten mich neben Prof. Osche und Claudia Gack auch mein Schüler Anselm Kratochwil. Angeregt diese Insel aufzusuchen, war die Publikation von Stefan Vogel über Ophrys - Bestäubungen als Resultat einer studentischen Exkursion nach Kreta 175. Er schilderte hier, dass er zwar verschiedene Bienenmännchen mit Pollinarien fangen konnte, jedoch keine einzige Beobachtung einer Pseudokopulation. Doch seine Vermutungen, welche Ophrys - Arten Pollinarienspender gewesen sein könnten, habe ich bis auf eine Ausnahme bestätigt. Tatsächlich sind wir diesem Ziel viele Jahre treu geblieben und etliche wissenschaftliche Untersuchungen starteten hier. Demetra Rakosy hat ihre Doktorarbeit über die komplexe Ophrys tenthredinifera -Verwandtschaft vor allem hier angefertigt 176.
Durch meine zahlreichen Reisen ins Mittelmeergebiet, zunächst mit Claudia Gack (Freiburg) und jeweils wechselnden Studierenden aus Freiburg, später von Wien aus mit Manfred Ayasse, Florian Schiestl und Johannes Stökl, später mit Hans Erich Salkowski (aus Vallendar bei Koblenz, 30.9.1935 - 23.11.2013) ( Abb. 69 View Abb ) 177 und viele der letzten Jahre mit Monika Hirth (aus Freiburg) (Abb. 78, 89B), konnte ich für viele der Ophrys -Arten zeigen, dass sie nur einen einzigen effektiven Bestäuber haben. Allerdings treten oft auch nächstverwandte Bienen als sogenannte Nebenbestäuber auf, deren Häufigkeit im Bestäubungsgeschehen aber so gering ist, dass sie keine nennenswerte Selektion ausüben. Frühe Exkursionen nach Italien (vor allem ins Monte Gargano-Gebiet 178), Kreta und Rhodos führten zur Erkenntnis, dass hier sehr viel mehr Ophrys -Arten existieren als bislang erkannt. Besonders eine erste Reise bereits im Februar nach Kreta 179 führte zur Entdeckung von gleich sechs unbeschriebenen Ophrys -Arten ( O. creticola , sitiaca, mesaritica, thriphtiensis, basilissa 180, cinereophila) ( Abb. 71A View Abb ). Ähnliches ergab sich auf der Insel Rhodos, die ich im Zuge einer Universitätsexkursion erstmals wieder 1999 aufsuchte ( Abb. 71B View Abb ). Auch hier fanden sich bisher nicht beachtete, weiter unbeschriebene Ophrys - Arten aus dem fusca -Kreis: O. persephone , lindia, eptapigiensis 181, parvula sowie später sogar eine weitere Art der omegaifera -Gruppe: O. apollonae . In Verbindung mit blütenmorphologischen Differenzen gekoppelt an weitere ökologische Indizien konnte ich zeigen und anregen, dass die Gattung Ophrys von damals etwa 30 bekannten Arten in Wirklichkeit inzwischen aus fast 300 Arten besteht.
Im Zuge meiner zahlreichen „ Ophrys -Reisen“ traf ich viele Kollegen, die sich mit mediterranen Orchideen beschäftigen. Antonis Alibertis aus Heraklion in Kreta traf ich erstmals im Frühjahr 1984, wo wir zusammen mit seiner ersten Frau Exkursionen machten. 1988 zeigte er mir die „Winterophrysse“ in Kreta. Antonis hat schliesslich ein imponierendes Werk über die Orchideen Griechenlands verfasst 182. Auch mit dem griechischen Arzt und Orchideenkenner aus Thessaloniki, Zissis Antonopoulos, habe ich mich vielfach getroffen unf korresponiert (Abb. 78, 89A). Auch er verfasste zusammen mit dem Botaniker Spyros Tsiftsis ein zweibändiges Standartwerk der Orchideen Griechenlands. 183 In Israel ermöglichte uns Prof. Dr. Amots Dafni von der Universität in Haifa die Erkundung der Orchideen dieses Landes.
Erwähnen möchte ich auch Michael Briffa (Sliema), mit dem ich mich auf meinen verschiedenen Reisen in Malta getroffen habe. Hans Salkowki und ich besuchten ihn erstmals am 17.2.2000. Michael war ein liebenswerter älterer Herr, der sich selbst als „Naturalist“ bezeichnete. Er war aber ein bekannter Pilzspezialist, der u. a. eine umfangreiche Sammlung auch von Myxomyceten angelegt hatte. Orchideen waren aber seine Lieblinge, die er auf seiner Insel dokumentierte und kartierte. Er führte mich zu verschiedenen Fundorten von Ophrys -Einzelpflanzen, die es oft nur als Einzelindividuen gab, nach kurzer Zeit aber wieder verschwunden waren. Am 7.4.2007 führte dann ich ihn zu einer solchen Einzelpflanze, nämlich Orchis italica . Merkwürdigerweise war diese sonst so weit verbreitete Orchis bislang von Malta nur in zwei Exemplaren bekannt: 13.3.1977 Wied Babu und 6.4.1981 Xagrha l-Hamra, beide fotografierte M. Briffa. Er war als ansonsten sehr stiller und nüchternen Mensch vor Freude unglaublich aufgeregt. Er liess sich von mir fotografieren, wie er gerade die Pflanze am Boden liegend am fotografieren war. Michael, geboren am 17.11.1926, starb am 7.2.2020 im Alter von 93 Jahren. In einer Würdigung seiner Verdienste benutzte man genau dieses Foto 184 (https://era.org.mt/press-releases/michael-briffa-in-memoriam/) ( Abb. 72, 73, 74 View Abb ).
Im Zuge der ersten Duftstoffanalysen der Blüten und der Bestäuberbienen durch die Arbeitsgruppe um Prof. Bergström und Bertil Kullenberg in Schweden ergaben sich zahlreiche Diskussionen und intensiver Briefwechsel mit Bertil Kullenberg 185, da diese von der Spezifität nicht überzeugt waren. Das lag aber vor allem daran, dass sie keine Übereinstimmung der Duftstoffe der Bienen mit denen in den Blüten gefundenen Duftkomponenten finden konnten. Da Sexuallockstoffe aus einer Mischung mehrerer Duftkomponenten bestehen, handelt es sich jedoch um eine Art Duft-Mustererkennung und nicht lediglich um eine Summierung einzelner Komponenten. Die Mischung erzeugt wie in der Parfümerie eine eigene Systemeigenschaft in Form einer eigenen Duftnote. Mein Argument war in diesem Zusammenhang stets, „um etwas über die Spezifität eines Musikstücks oder einer Textpassage zu erhalten, macht es wenig Sinn, solche Passagen in die Noten oder in die Buchstaben zu zerlegen“. Die Information liegt natürlich in der spezifischen Abfolge und Kombination verwendeter Noten und Buchstaben und nicht in den einzelnen Noten bzw. Buchstaben selbst“.
Meine Forschertätigkeit besteht und bestand allerdings nicht nur aus diesen sehr aufwändigen und mühevollen Freiland-, sondern auch aus kausalanalytischen Laboruntersuchungen. Zusammen mit meinem Assistenten Manfred Ayasse und einer Reihe von DiplomandInnen-DissertantInnen, darunter vor allem Florian Schiestl (heute als Zoologe Professor für Botanik an der Universität Zürich) oder Johannes Stökl (zunächst an der Universität Regensburg, heute an der Universität Hohenheim, Institut für Angewandte Entomologie) konnten wir die Chemie der Duftausstattungen und ihre Spezifität der Anlockungen auch experimentell mit Hilfe der Gaschromatographie aufklären. Ich hatte bereits in Freiburg Kontakt mit Dr. Ernst Priesner vom Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie in Seewiesen, um Kooperationen zur Pheromonuntersuchung bei der Gattung Ophrys einzuleiten. Priesner war anerkannter Spezialist für Insektenpheromone (vor allem bei Glasflüglern und Nachtfaltern). Ich besuchte ihn mehrfach in Seewiesen, hielt dort auch Vorträge über unsere begonnenen Ophrys -Forschungen. Als ich 1992 nach Wien ging, holte ich mir jedoch Manfred Ayasse als Assistent in mein Institut, der dann dieses Vorhaben der Duftstoffanalysen in der Gatttung Ophrys in die Tat umsetzte. Ernst Priesner ist übrigens seit Juli 1994 in den Garmisch-Partenkirchener Bergen verschollen 186. In Seewiesen hatte ich auch intensiven Kontakt mit Prof. Dietrich Schneider und vor allem mit Prof. Dr. Franz Huber ( Abb. 13A View Abb ), der Direktor am Max-Planck-Institut in Seewiesen in der Abteilung Neuroethologie war. Ihn interessierten vor allem meine Lernversuche mit Bienen an Ophrys . Ihm habe ich eine Reihe von Tipps zu verdanken. Am 27. April 2017 verstarb er im Alter von 92 Jahren.
Mit Joannes Spaethe (heute an der Universität Würzburg) ( Abb. 76 View Abb ) als weiteren Assistenten und Dissertanten wie Martin Streinzer oder Kerstin Stejskal konnte ich die Farbwahrnehmung und die Mustererkennung von Bestäuberbienen der Ophrys- Blüten klären. In der von mir und Prof. Tod Stuessy (Botanik) betreuten Doktorarbeit von Philipp Schlüter ( Abb. 68 View Abb ) (später Assistent bei Florian Schiestl in Zürich, dann seit 2020 als Professor an der Universität Hohenheim, Institut für Biochemie des pflanzlichen Sekundärstoffwechsels) wurde die Frage, ob die Ophrys -Arten tatsächlich auch genetisch getrennte Einheiten sind, vor allem in der schwierigen Ophrys fusca -Gruppe in Kreta und Rhodos mit Hilfe von DNA-Analysen (AFLP) geprüft. Seine Ergebnisse bestätigten, was die Freilandbeobachtungen und Wahltests längst gezeigt hatten, dass es tatsächlich diese hohe Zahl an Ophrys -Arten gibt. Laufende Projekte zu evolutionsbiologischen und biogeografischen Fragen zu Ophrys -Artengruppen sind zusammen mit Monika Hirth (Freiburg) oder Demetra Rakosy (zunächst in Wien, dann Helmholtz Zentrum für Umweltforschung, Institut für Community Ecology, Leipzig) in Arbeit. Neben den früher regelmässigen Besuchen der Orchideentagungen in Wuppertal und Schwäbisch-Gemünd organisierte ich selbst ein bis zwei Mal jährlich Treffen („workshops“) zunächst in Freiburg, dann in Zürich und später in Eching bei München. Dazu wurden bekannte Orchideenforscher eingeladen, darunter Hans R. Reinhard († 2007) (Zürich) (Abb. 77, 78) 187, Peter Gölz (Winterthur), Claudia Gack (Freiburg) , Ernst Gügel (München), das Ehepaar Dietrich († 2018) und Ursula Rückbrodt (Lampertheim), später dann auch Wolfgang Wucherpfennig (Eching), Heinz-Werner Zaiss (Marloffstein), Stefan Hertel (D-83527 Haag), Helmut Presser (zunächst Eichstätt, später Kipfenberg), Hannelore Spaeth († 1998) (Freiburg), Monika Hirth (Freiburg) (Abb. 78), schliesslich auch Uwe Grabner (Starnberg), Bernd Tenschert (Hohenstadt), dann gelegentlich auch Zissis Antonopoulos (Thessaloniki). Im Jahre 2000 begründete ich ein monatliches Treffen der Wiener Freunde heimischer und mediterraner Orchideen. Wir trafen und treffen uns einmal monatlich in meinem (früheren) Institut in der Althanstrasse mit Vorträgen und geselligem Beisammensein. In den Jahren 2020 und 2021 der Covid-Pandemie setzten wir diese Treffen als sogenannte „online-zoom-Treffen“ fort.
Im Zuge der Ophrys -Studien habe ich eine ganze Reihe neuer Arten entdeckt und beschrieben. Derzeit sind es 43 und ein Ende ist nicht in Sicht. Ich habe eine sehr umfangreiche Foto- und Videodokumentation der Bestäubungsvorgänge von zahlreichen Ophrys -Arten gemacht. Während die zahlreichen Orchideenfreunde kaum je eine Pseudokopulation zu sehen bekamen, verdankte ich meine Erfolge vor allem den profunden Kenntnissen der Paarungsbiologie der Wildbienen.
Als ich 2012 emeritiert wurde, schenkte mir mein Wiener Mitarbeiter Prof. Dr. Helmut Kratochvil ein von ihm selbst gemaltes Ölbild mit Ophrys -Kuriositäten (Abb. 80).
No known copyright restrictions apply. See Agosti, D., Egloff, W., 2009. Taxonomic information exchange and copyright: the Plazi approach. BMC Research Notes 2009, 2:53 for further explanation.
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