Rubus L.

Hess, Hans Ernst, Landolt, Elias & Hirzel, Rosmarie, 1976, Flora der Schweiz und angrenzender Gebiete. Band 2. Nymphaceae bis Primulaceae (2 nd edition) (p. 956): Rosaceae, Birkhaeuser Verlag : 442-408

publication ID

https://doi.org/ 10.5281/zenodo.292251

persistent identifier

https://treatment.plazi.org/id/96D5F9F7-4655-FB38-8DB2-E3B3AE19F42E

treatment provided by

Donat

scientific name

Rubus L.
status

 

Rubus L.

Brombeere

Unter Mitarbeit von E. Oberholzer †, Samstagern

Pflanzen ausdauernd, oft mit langen, unterirdischen Trieben. Oberirdische Teile überdauern 2, selten 3 Sommer (nur 1 Sommer bei R. saxatilis ) und blühen erst im 2. Sommer. Schößling aufrecht, hoch- oder flachbogig bis niederliegend (wenn Boden berührend, Wurzeln treibend und große Flächen besiedelnd), rund oder kantig, wobei die Seitenflächen flach oder nach innen oder nach außen gebogen sein können (Mittelteil eines Schößlings untersuchen!), meist mit ± zahlreichen Stacheln (diese gleichförmig bis sehr verschieden), oft mit Stieldrüsen und Sitzdrüsen, nicht behaart oder zerstreut bis dicht behaart. Blätter gestielt, meist mit 3-5 radiär angeordneten Teilblättern, die deutlich gestielt sind (mittleres Teilblatt oft lang gestielt), selten 1fach gefiedert ( R. Idaeus ); Teilblätter rund bis breit lanzettlich mit 1fach oder doppelt gezähntem Rand, beiderseits grün oder unterseits grau bis weiß (filzige Behaarung). Blütenstände (entwickeln sich im 2. Sommer aus den Blattachseln der Schößlinge) meist vielblütige, 10-40 cm lange Trauben oder Rispen bildend, verschieden dicht beblättert (diese Blätter von denen des Schößlings verschieden; sie spielen bei der Bestimmung der Arten selten eine Rolle); Blütenstandsachsen meist rund, mit einer ähnlichen Vielgestaltigkeit von Stacheln, Drüsen und Haaren wie am Schößling, jedoch in der Kombination meist nicht mit dieser übereinstimmend. Blüten: Kelchblätter 5 (kein Außenkelch), grün, außerseits oft dicht filzig behaart und dann grau bis weiß, oft auch mit Stachelborsten, an der Frucht aufgerichtet, abstehend oder zurückgebogen und dem Blütenstiel anliegend. Kronblätter 5, oval, gelblich, weiß oder rosa bis rot. Staubblätter zahlreich (meist über 20), die Griffel überragend oder umgekehrt. Früchtchen zahlreich (20-50, bei R. saxatilis , R. caesius und Bastarden mit R. caesius weniger als 20) auf kegelförmigem Blütenboden, saftig, mit endständigem, fadenförmigem Griffel, zu einer saftigen Sammelfrucht vereinigt (im folgenden nur als Frucht bezeichnet); Frucht sich vom Blütenboden lösend ( R. Idaeus, Himbeere ) oder mit ihm zusammen abfallend ( übrige Rubu sarten, Brombeeren).

Die Gattung Rubus ist über alle Kontinente verbreitet und umfaßt nach Sudre (1908-1913) in Europa etwa 700 Arten mit fast 2000 Varietäten (bei enger Fassung der Art werden total bis 3000 Arten angegeben).

Die erste, grundlegende Bearbeitung mitteleuropäischer Rubu sarten stammt von Weihe und Nees von Esenbeck (1822-1827). Die beiden Autoren erkannten die auch heute noch verwendeten Merkmale für die Unterscheidung der Arten und sahen auch die besondern Probleme und Schwierigkeiten einer systematischen Unterteilung der Gattung Rubus . Ihre Konzeption, Individuen nur dann als Arten zu beschreiben, wenn sie sich in einer Merkmalskombination von den Verwandten unterscheiden und zudem über ein nicht zu kleines Gebiet verbreitet sind, ist durchaus modern. Später haben Foche (1902-1904) und Sudre (1908-1913) die europäischen Rubu sarten monographisch dargestellt und die Gattung in Artengruppen und Formenkreise gegliedert. Keller (1919) verfaßte eine Übersicht über die schweizerischen Rubi, die sich eng an die Darstellung von Sudre anlehnt. Die englischen Rubi wurden von Watson (1958) dargestellt. Die vorliegende Bearbeitung baut ebenfalls auf die Arbeiten von Sudre auf, faßt jedoch gelegentlich den Artbegriff anders und ordnet verschiedene Arten andern Artengruppen zu. Viel Unklares wurde ohne Kommentar weggelassen: «Arten», bei denen es sich vermutlich um Bastarde ohne eigene Verbreitung handelt sowie nicht umschreibbare oder lokale Sippen. Der Leser wird deshalb manche Namen nicht finden, die anderswo im Artrang aufgeführt sind und muß auf die Spezialliteratur (Monographien und lokale Florenwerke) verwiesen werden. Trotz dieser Kürzungen ist die Gattung Rubus noch sehr umfangreich geblieben und die von uns aufgenommenen Taxa sind noch zu zahlreich. ( Für das Gebiet von Österreich hat z. B. Gilli 1966 die Zahl der Rubu sarten auf 13 reduziert.) Nach unsern Feststellungen sollten große Teile der Rubussystematik auf experimenteller Grundlage neu gestaltet werden. Bei oberflächlicher Betrachtung scheinen die Brombeeren Europas eine einzige, riesige Population zu bilden. In dieser Population lassen sich jedoch Typen finden, die nicht durch stetige Übergänge miteinander verbunden sind: Gegen 100 Sippen, die in verschiedene Artengruppen zusammengefaßt werden können, sind über weite Gebiete Europas verbreitet; dazu kommt eine große Zahl morphologisch unterscheidbarer Sippen mit enger Verbreitung. Die meisten Verbreitungsangaben sind noch sehr lückenhaft und zufällig. Kompliziert wird die Systematik der Gattung Rubus vor allem durch fast unüberschaubare Bastardschwärme, die am Aufbau der lokalen Rubus floren maßgeblich beteiligt sind. Die Entwicklungsgeschichte der europäischen Rubus flora ist von Gustafsson (1943) dargestellt.

Die Gründe der Vielgestaltigkeit und die Ursachen der Neuentstehung von Biotypen in der Gattung Rubus sind schon von einem Pionier der experimentellen Taxonomie, Lidforss (1914, Zusammenstellung seiner Arbeiten) erklärt worden: Apomixis und Bastardierung. In zahlreichen Arbeiten sind seither die Fortpflanzungsverhältnisse bei den Brombeeren eingehend untersucht worden (Longley 1924a, Gustafsson 1939a, Gustafsson 1942, Christen 1950 und Berger 1953; vgl. auch die zahlreiche dort zitierte Literatur). Die Entwicklung des Embryosackes erfolgt ähnlich wie in der Gattung Potentilla . Die Embryosäcke mit nicht reduzierter Chromosomenzahl entwickeln sich aus Zellen des Archespors (generative Aposporie oder Diplosporie) oder aus vegetativen Zellen der Chalaza (somatische Aposporie). Beide Entwicklungstypen können bei derselben Art und oft sogar in derselben Blüte gefunden werden, wobei der prozentuale Anteil der beiden Typen zwischen den Arten etwas verschieden ist. Neben Embryosäcken mit unreduzierter Chromosomenzahl werden stets auch solche mit reduzierter Chromosomenzahl gebildet, so daß echte Bastarde entstehen können. Rein apomiktische Arten sind nicht bekannt. Wie in der Gattung Potentilla , ist auch in der Gattung Rubus die Befruchtung von Eizellen mit nicht reduziertem Chromosomensatz nachgewiesen. Für die Entwicklung keimfähiger Samen ist auch bei den Rubus pflanzen stets eine Befruchtung des sekundären Embryosackkerns durch einen Pollenkern notwendig. Die Chromosomenzahl im Pollen ist immer reduziert; bei einigen Arten verlaufen die Meiosen normal, bei zahlreichen Arten sind Störungen beobachtet worden. Bastarde verhalten sich meist wie die Eltern; entsteht bei Bastardierung ein ungerades Vielfaches der Chromosomengrundzahl 7, wie dies bei der Befruchtung von Eizellen mit nicht reduziertem Chromosomensatz vorkommt, sind diese Bastarde weitgehend steril; sie vermögen sich der vegetativen Fortpflanzung wegen in der Natur trotzdem zu halten und auszubreiten. Die vegetative Fortpflanzung durch niederliegende Schößlinge und unterirdisch weit kriechende Triebe spielt bei der Besiedlung neuer Standorte bei den meisten Sippen eine wichtige Rolle. Die Chromosomenzahlen in der Gattung Rubus bilden eine polyploide Reihe (2n = 14, 21, 28, 35, 42, 49, 56), wobei etwa ⅘ der europäischen Arten 2n = 28 Chromosomen besitzen (tetraploid); die sexuellen Arten R. Idaeus , R. tomentosus und R. ulmifolius sind diploid (2n = 14); R. caesius (2n = 28) ist auch sexuell. Neue zytogenetische Untersuchungen an englischen Rubi von Haskell (1955 1959 1960).

Die nordamerikanischen Rubus arten zeigen die gleichen Fortpflanzungsverhältnisse wie die europäischen (vgl. Einset 1951, Pratt und Einset 1955, Pratt, Einset und Clausen 1958, Thompson 1962, und die dort zitierte Literatur). Gleiche Beobachtungen wurden auch an japanischen Rubus arten gemacht (Jinno 1958). Die in Nordamerika vorkommenden Arten, die mit unserer Artengruppe des R. suberectus nahe verwandt sind, sind normal sexuell, während bei uns keine normal sexuellen Arten aus dieser Gruppe bekannt sind. Die südamerikanischen Rubus arten sind zum größten Teil diploid.

Da die Arten und die beschriebenen Merkmale in der Gattung Rubus sehr zahlreich sind, wurden in den Diagnosen der Artengruppen oder der isolierten Arten nicht immer alle Merkmale wiederholt; man konsultiere deshalb stets zuerst den Schlüssel der Gattung.

Es gibt wenige deutsche Namen für unsere Rubus arten; so haben wir nur bei isolierten Arten und bei Artengruppen deutsche Namen angegeben.

Untersuchungsmaterial, Bestimmung der Arten

Es ist zu empfehlen, Pflanzen an sonnigen Hecken und sonnigen Waldrändern zu sammeln, da Pflanzen aus schattigen Wäldern meist kümmerlich entwickelt sind. Für die Bestimmung der Arten müssen vorhanden sein: Ein etwa 20 cm langes Stück aus dem Mittelteil (nicht Basis oder Spitze) eines Schößlings mit wenigstens 2 Blättern und 1 Blütenstand mit Blüten und jungen Früchten. Man überzeuge sich, daß beide Pflanzenteile wirklich derselben Pflanze angehören. Habitus der Pflanze ( Schößling hochbogig, usw.), Farbmerkmale an Blüten ( Kronblätter, Staubfäden und Griffel), Stellung der Staubfäden, ihre Länge im Vergleich zu den Griffeln und die Stellung der Kelchblätter (aufgerichtet, abstehend, zurückgebogen) werden am Fundort notiert, da sie an Herbarmaterial oft nicht mehr zu erkennen sind; zugleich lassen sich so wertvolle Informationen über die Konstanz dieser Merkmale an einem größeren Material sammeln. Die Sammelzeit richtet sich nach der Blüte; diese ist je nach Artengruppe verschieden (Ende Mai bis Mitte September; siehe Angaben bei den Artengruppen).

Für die Bestimmung der Arten genügt meistens eine Lupe mit 10facher Vergrößerung, da die kleinen Sitzdrüsen, die oft weniger als 0,1 mm lang sind und durch Haare verdeckt sein können, für die Bestimmung selten gebraucht werden. Für die Erkennung der Drüsenfarbe ist eine helle Auflichtbeleuchtung notwendig. Schwierig ist gelegentlich die Untersuchung der Behaarung der Blattunterseite, wenn festgestellt werden sollte, ob zwischen einem dichten Filz von Sternhaaren noch einfache Haare vorhanden sind oder nicht. Zuverlässig läßt sich dies feststellen, wenn man die Kanten von Bruchflächen mit Binokularlupe oder Mikroskop bei 50-100facher Vergrößerung untersucht, doch erübrigt sich eine solche Untersuchung meistens, wenn man weiß, daß sich Blattunterseiten, die zwischen dem dichten Sternhaarfilz noch einfache Haare tragen, samtig und weich anfühlen, während der reine Sternhaarfilz etwas rauh ist.

Spezialausdrücke

Drüsenborsten: Stachelborsten (s. dort)! mit kugeligen Drüsen an der Spitze.

Nadelstacheln: Nadelförmige, feste, starre, im Querschnitt runde Stacheln, die erst ganz am Grunde plötzlich verbreitert sind.

Schößling: Aus dem Boden austretende, Blätter tragende, jedoch noch nicht blühende Triebe, die am Ende des 1. Sommers mehrere Meter lang sein können.

Sitzdrüsen: Kugelige, sitzende oder keulenförmige Drüsen mit weniger als 0,1 mm langem Stiel.

Stachelborsten: Nadelförmige, weiche, biegsame Stacheln, die am Grunde nur wenig verbreitert sind.

Stieldrüsen: Kugelige Drüsen auf meist über 0,5 mm langen Stielen. Die Stiele sind in der ganzen Länge gleich dick, gerade oder gebogen.

Kingdom

Plantae

Phylum

Tracheophyta

Class

Magnoliopsida

Order

Rosales

Family

Rosaceae

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